Make It Your Own

Veröffentlicht als Meinung
von Sophie Brunneram

Für Joschi ein rundes Jubiläum, für Angie und Sophie eine Premiere: Schnell noch Nina und Kai eingepackt, und dann machte sich unser halbes Team im April 2023 auf den Weg nach Düsseldorf, um die Tradition fortzusetzen und gemeinsam die beyond tellerrand Konferenz zu besuchen. Geteilte Erinnerungen, Inspiration und jede Menge Learnings — es war wie immer ein lohnenswerter Trip.

Ich muss gestehen: Als eher introvertierter Mensch mit einer leichten Tendenz zur Schüchternheit fühle ich mich in meiner gewohnten Umgebung unter bekannten Menschen am aller wohlsten. Da ich gleichzeitig aber auch sehr neugierig, gern unterwegs und im Austausch mit Gleichgesinnten bin, war eine Woche nach meinem ersten Arbeitstag im Tollwerk für mich klar, dass ich mit auf die beyond tellerrand nach Düsseldorf fahre — auch um mich aus meiner Komfortzone zu begeben und im wahrsten Sinne des Wortes über meinen eigenen Tellerrand zu schauen.

Die btconf stand für mich unter dem Motto „zum ersten Mal“: Zum ersten Mal auf einer Konferenz (zumindest in meinem neuen Berufsfeld, in das ich mich vor erst 15 Monaten gestürzt habe). Zum ersten Mal mit meinem neuen Team unterwegs. Zum ersten Mal Düsseldorf. Zum ersten Mal Menschen in echt getroffen, die mich zuvor remote durch mein Coding Bootcamp begleitet haben (Sarah, Tobi). Zum ersten Mal Menschen live zuhören dürfen, deren Website und Projekte ich als Inspiration abgespeichert habe (Sophie Koonin, Thomas Thwaites).

Gewohnt von den eher akademisch geprägten Konferenzen in Kultur und Pädagogik trat ich mit Notizbuch und ausreichend Stiften an. Am Ende verließ ich die btconf mit zirka 20 geöffneten Tabs auf meinem Smartphone, die ich in den nächsten Tagen und Wochen definitiv durchlesen und / oder abspeichern werde. Was ich für mich mitgenommen habe:

Make the web fun again

Ja, auch ich gehöre zu ihnen. Zu den Webentwicklerinnen, die keine persönliche Website haben. Seit mindestens einem Jahr schiebe ich das Projekt jetzt vor mir her. Mein Problem? Neben fehlender Zeit fehlende Inspiration. Jedes Mal, wenn ich anfange, darüber nachzudenken, merke ich, wie ich entweder in absurde Unmachbarkeiten abdrifte, oder in klassischen Portfolio-Corporate-Seiten denke, die sich nicht gut oder passend für mich anfühlen. Also verwerfe ich meine Pläne wieder und das Projekt persönliche Website wandert zurück in die „Eines Tages“-Schublade. Zufall oder Schicksal, dass ich beim Warm-up zur btconf am Sonntagabend auf Tantek Çelik vom IndieWebCamp treffe? Er beschließt für mich: „Sophie macht jetzt auch ihre eigene Website“ und teilt diesen Plan direkt mit allen um mich herum stehenden Personen, so dass es für mich keine Ausreden mehr gibt (wie mit der Diät oder dem Rauchstopp, von denen man allen erzählt).

Tantek, Sophie und Angie tauschen Bilder auf ihren Smartphones aus. Im Hintergrund eine Projektion mit den Logos der beyond tellerrand Konferenz und von Wacom
Identität

Tantek Çelik, einer der Gründer der IndieWeb-Community, kann sehr überzeugend sein, wenn es sich um die persönliche Identität im Netz dreht.

Quelle: Joschi Kuphal, , Alle Rechte vorbehalten

Definitiv Glück, dass Sophie Koonin die btconf am nächsten Tag mit ihrem “Love Letter to the Personal Website” eröffnete. Vor ein paar Monaten war ich bereits per Zufall auf Sophie gestoßen und begeistert von ihrer Website, die unterschiedliche Themes zur Verfügung stellt. Ihr Talk löste einen Knoten bei mir. Durch den einfachen Satz “Make it your own”. Endlich habe ich Ideen, die zu mir passen und umsetzbar erscheinen. Ich schwöre feierlich, dass ich bis zur nächsten btconf in Düsseldorf eine persönliche Website habe!

Modern CSS Layout Is Awesome!

Als Webentwicklerin, die in Zeiten von Flex & Grid ausgebildet wurde, muss ich immer schmunzeln, wenn mir erfahrene Developer Schauermärchen über <table>-Layouts und padding-Hacks erzählen. Als Michelle Barker ihren Vortrag startete, freute ich mich erstmal über die von mir bereits liebgewonnenen properties aspect-ratio (erst wenige Tage zuvor das quadratische Design der Bilder auf der border:none-Website damit umgesetzt) und Flex-gap. Perfekt spannte Michelle den Bogen von neuen Viewport Units, inset als Shorthand für top, right, bottom und left und der Positionierung von einem Element auf einem anderen via grid (Ciao position: absolute!) hin zu Container Queries, dem wohl am heißesten ersehnten CSS-Feature. Kein Wunder, dass bei ihrem mutigen Live-Coding dazu die btconf einem Rockkonzert glich.

Schau mir in die Augen, Kleine/s/r

Die sprudelndsten Team-Gespräche hatten wir nach dem Talk von Dr. Emily Anhalt. Es ging darum, wie wir unsere emotionale Fitness trainieren und in unseren (Arbeits-)Alltag integrieren können. Glücklicherweise war unser Arbeitskreis Organisationskultur & -klima fast vollständig anwesend, und so konnten wir uns gemeinsam fest vornehmen, Remojis (Emojis, die mit einer bestimmten emotionalen Bedeutung aufgeladen sind) und eine emotional fitness survey (beispielsweise Aussagen über den persönlichen Umgang mit Stress und Trauer) in unserem Team zu etablieren.

Was mich als Pädagogin / Vermittlerin am meisten begeisterte, waren die interaktiven Übungen des Vortrags, die uns zum direkten Ausprobieren und Spüren einluden. Größte Herausforderung: Meinem Kollegen Kai 20 Sekunden lang in die Augen schauen. Beim ersten Versuch konnte ich nur giggeln und quasseln. Beim zweiten Versuch wurde ich schon ruhiger, auch wenn Kai sich im Nachhinein köstlich über meine Mundgrimassen amüsierte, die ein Lachen gerade so verhindern konnten. Also: Je öfter ich mich unangenehmen Situationen stelle, desto souveräner kann ich mit ihnen umgehen. Im Zweifelsfall helfen tief Atmen und Mundgrimassen.

Dr. Emily Anhalt gibt einen Vortrag auf der Bühne der beyond tellerrand Konferenz. Im Hintergrund ist eine Vortragsfolie zu sehen, in der eine gezeichnete Figur eine Faust ballt.
Emotionale Fitness

In ihrem Vortrag erläutert Dr. Emily Anhalt, welche 7 Säulen zur emotionalen Stabilität beitragen.

Quelle: Joschi Kuphal, , Alle Rechte vorbehalten

Positiv überrascht war ich auch, wie der Talk vom Publikum aufgenommen wurde, wird doch mentale Gesundheit noch all zu gern ignoriert und / oder stigmatisiert. Doch schienen mir viele empfänglich für das Thema und auch in privaten Gesprächen während der Konferenz freute ich mich, mit welcher Offenheit über Gedanken- und Gefühlswelten gesprochen wurde. Mein größter Respekt geht auch an Hugh Elliot, der sich auf dieser großen Bühne verletzlich zeigte und offen darüber sprach, wie er zweimal einen Job verlor. Apropos positiv: Nach dem Talk war ich so positiv gestimmt, dass ich einen weiteren Rat der Psychologin — mehr Komplimente machen — direkt in die Tat umsetzte und Kai für seine absolute Ruhe feierte, auch vor den heftigsten Projekt-Deadlines.

Nina, Kai, Angie und Sophie auf ihren Sitzplätzen in der Loge neben der beyond tellerrand Bühne
Inspiration /
Tradition

Fast schon automatisch findet unser Team regelmäßig Platz direkt neben der Bühne im Capitol Düsseldorf

Quelle: Joschi Kuphal, , Alle Rechte vorbehalten

Fazit

Normalerweise fühle ich mich nach viel Zeit unterwegs und unter (fremden) Menschen ausgelaugt (die Introversion) und hatte mich für Donnerstag bereits auf leere soziale Batterien eingestellt. Doch diesmal war genau das Gegenteil der Fall. Ich fühle mich energetisiert und inspiriert. Das liegt nicht nur an den fesselnden Talks, sondern auch an den Menschen, von denen ich an diesen 3 Tagen (inkl. Warm-up) umgeben war. An ihrem grandiosen Humor, ihrer Offenheit und Herzlichkeit, ihrer Begeisterung und Expertise. Ich bin sehr froh, das Abenteuer aus meiner Komfortzone und über den Tellerrand hinaus gewagt zu haben.