Gemeinwohl-Bilanz abgeschlossen
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Der erste Bericht ist geschrieben, das Testat ist da. Wir sind nun ein GWÖ-zertifiziertes Unternehmen! Mit 469 von 1.000 Punkten übertreffen wir den Durchschnitt einer Erstbilanz. Erfahrt, wie wir verantwortungsvoll wirtschaften.
Vor gut 2 Jahren haben wir entschieden, uns der Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) anzuschließen. Von April bis November 2024 haben wir unseren ersten Gemeinwohl-Bericht erstellt und nun unser Zertifikat erhalten. Wir sind stolz, jetzt ein gemeinwohl-bilanziertes Unternehmen zu sein! Dieser Meilenstein steht für unser Engagement, Verantwortung in unserer Unternehmensführung zu übernehmen — gegenüber unserer Kundschaft, Partner*innen, Mitarbeitenden und der Gesellschaft. Wir stellen uns damit in eine Reihe mit bewunderten Vorreiterunternehmen wie VAUDE, Polarstern, Weleda und der Sparda-Bank München eG, die zeigen, dass Gemeinwohlorientierung nicht nur zukunftsweisend, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann.
Unsere Gemeinwohl-Bilanz ist inzwischen veröffentlicht und über unser GWÖ-Profil abrufbar. Um den Zugang zu erleichtern, arbeiten wir auch an einer Web-Version. Bis diese fertig ist, steht der Bericht als 170-seitiges, barrierefreies PDF zur Verfügung:
Gemeinwohl-Bilanz 2022–2023 (barrierefreies PDF)
Mit 469 von 1.000 möglichen Punkten haben wir ein starkes Ergebnis erzielt. Es liegt deutlich über den Mindestanforderungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften und übertrifft den Durchschnitt einer Erstbilanz. Besonders positiv bewertet wurden unsere Ansätze in den Bereichen Menschenwürde am Arbeitsplatz sowie innerbetriebliche Mitbestimmung und Transparenz. Unser selbstentwickeltes Betriebssystem 3utterflies, das auf Selbstorganisation, soziokratischen Prinzipien und Konsent-Entscheidungen basiert, spielte dabei eine zentrale Rolle. Auch unser Einsatz für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen, die gesellschaftliche Teilhabe fördern, wurde als bedeutender Beitrag zum Gemeinwohl anerkannt.
Wir möchten unsere Erfahrungen gerne mit euch teilen. Für uns war die Auseinandersetzung mit der GWÖ keine radikale Kehrtwende, sondern eine bewusste Selbstverpflichtung, noch mehr Verantwortung zu übernehmen und Barrieren abzubauen — digital, gesellschaftlich und wirtschaftlich.
Gutes Wirtschaften für alle
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Wirtschaftsmodell und eine Bewegung, die Unternehmen dabei unterstützt, ihr Handeln am Gemeinwohl auszurichten. Anstelle von Gewinnmaximierung stehen ethische Werte, Nachhaltigkeit und Verantwortung im Fokus. Die Grundidee ist einfach: Wirtschaft soll allen dienen — der Gesellschaft, der Umwelt und den Menschen.
Grundwerte und Berührungsgruppen
Im Zentrum der GWÖ liegen vier Grundwerte, die eine faire und nachhaltige Wirtschaft fördern sollen:
- Menschenwürde: Respektvoller Umgang mit allen Beteiligten und die Vermeidung von Ausbeutung
- Solidarität und Gerechtigkeit: Fairer Ausgleich zwischen individuellen und gesellschaftlichen Interessen
- Ökologische Nachhaltigkeit: Schutz der Umwelt und ein achtsamer Umgang mit Ressourcen
- Transparenz und Mitentscheidung: Offenheit und die Einbindung aller Beteiligten in Entscheidungsprozesse
Diese Werte werden auf fünf sogenannte Berührungsgruppen angewendet:
- Lieferant*innen
- Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen
- Mitarbeitende
- Kund*innen und Mitunternehmen
- Gesellschaftliches Umfeld
GWÖ-Matrix als Leitfaden
Die GWÖ-Matrix kombiniert die vier Grundwerte mit den Berührungsgruppen. Sie bildet mit ihren 20 Themenfeldern den Leitfaden für jeden Bilanzierungsprozess und hilft Unternehmen, ihre Stärken und Verbesserungspotenziale sichtbar zu machen.
Im Unterschied zu anderen Bilanzierungsmethoden ist die GWÖ-Bilanzierung äußerst umfassend und ernsthaft: Sie integriert zwar auch die wirtschaftliche Seite, diese macht jedoch nur einen kleinen Teil der Gesamtbewertung aus. Der Fokus liegt darauf, den Beitrag eines Unternehmens zu sozialen, ökologischen und ethischen Zielen messbar zu machen. Die ausgeprägte Systematik der Matrix führt zu besonders aussagekräftigen Ergebnissen, die Transparenz schaffen und eine fundierte Grundlage für Verbesserungen bieten.
Wege zur Bilanz
Die GWÖ bietet verschiedene Wege zur Bilanzierung, abgestimmt auf die Unternehmensgröße und individuelle Bedürfnisse. Die Kompaktbilanz eignet sich für Kleinstunternehmen oder als Einstieg für größere Organisationen und bietet eine verdichtete Darstellung der Themen. Die Vollbilanz hingegen ermöglicht eine umfassende Analyse aller Aspekte und ist ab der zweiten Bilanz für mittlere und größere Unternehmen verpflichtend.
Der Bilanzierungsprozess lässt sich auf unterschiedliche Weise gestalten: Unternehmen können den Bericht eigenständig mithilfe von bereitgestellten Vorlagen und Tools erarbeiten, sich von GWÖ-Berater*innen begleiten lassen oder eine Peer-Evaluierung wählen. Dieser kollaborative Ansatz eignet sich besonders für kleinere Organisationen mit bis zu 30 Mitarbeitenden. Hier erarbeiten mehrere Unternehmen ihre Berichte gemeinsam in Workshops, tauschen Erfahrungen aus und evaluieren die Inhalte gegenseitig. Alternativ bietet ein externes Audit eine unabhängige Prüfung durch zertifizierte Gemeinwohl-Auditor*innen und sichert die Qualität sowie Glaubwürdigkeit der Bilanz.
Konkrete Schritte
Wir haben uns für eine Vollbilanz und die Peer-Evaluierung entschieden. Gemeinsam mit dem SEKO Fachbuchversand e. K. und der Pegnitz Gebäudereinigung gGmbH (PGR), einem Inklusionsbetrieb der Lebenshilfe, bildeten wir eine Nürnberger Peer-Gruppe. Fun Fact: Zwischen unserer Entscheidung für die GWÖ und dem tatsächlichen Start der Peer-Gruppe lagen aufgrund wiederholter Veränderungen unter den Interessenten ganze eineinhalb Jahre. Der scherzhafte Gruppenname „Durchhalten bis zum Start“, den wir uns in dieser Zeit gegeben haben, schaffte es am Ende sogar auf unser Zertifikat.
Begleitet wurden wir von den zertifizierten Gemeinwohlberatern Bernd Hümmer und Thomas Mönius. Über einen Zeitraum von sechs Monaten trafen wir uns alle etwa einmal im Monat zu halbtägigen Workshops, bei denen jeweils eine Berührungsgruppe im Fokus stand. Zwischen den Treffen arbeiteten wir die Berichtsinhalte aus und bereiteten uns auf die nächsten Schritte vor. Am Ende des Prozesses evaluierten wir unsere Berichte gegenseitig und profitierten dabei nicht nur von einer fundierten Bewertung, sondern auch von den unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen innerhalb der Gruppe. Dieser kooperative Ansatz erwies sich als äußerst bereichernd und trug entscheidend zu unserer Bilanzierung bei.
Unser Bericht
Die Erstellung unseres Gemeinwohl-Berichts war wie ein Blick durch ein Vergrößerungsglas auf alle Aspekte unserer Organisation. Die Bereiche, die wir für den Bericht untersucht und dokumentiert haben, schließen unter anderem ein:
- Lieferant*innen evaluieren: Analyse unserer überwiegend wissensbasierten Lieferant*innenstruktur, Durchführung einer ersten Umfrage und Feststellung, dass wir bisher wenig systematisch Werte wie Nachhaltigkeit und Fairness thematisiert haben.
- Umweltkonten und CO₂-Fußabdruck: Zusammenstellung unserer Umweltauswirkungen und Berechnung des CO₂-Fußabdrucks, von Energieverbrauch bis zur Mobilität.
- Gehaltsstrukturen: Prüfung der Gehaltsspreizung, Analyse von Aspekten wie lebenswerter Verdienst und gerechte Vergütung im Team.
- Transparenz und Mitentscheidung: Dokumentation unseres 3utterflies-Betriebssystems, der Offenlegung von Unternehmensdaten und der demokratischen Festlegung von Gehältern in Quantum-Workshops.
- Eigentum und Fremdfinanzierung: Untersuchung unserer 100%igen Eigenfinanzierung und der Abwesenheit von Fremdkapital.
- Ehrenamt und gesellschaftlicher Beitrag: Erfassung unseres Engagements in gemeinnützigen Projekten und Netzwerken sowie unser Wissenstransfer, etwa in Form von Workshops oder Vorträgen.
- Nachhaltigkeit in der Mobilität: Förderung nachhaltiger Mobilität durch das Deutschlandticket als Job-Ticket, ein Elektrofahrzeug und Anreize für umweltfreundliche Arbeitswege.
- Barrierefreiheit: Analyse, wie unser Schwerpunkt Barrierefreiheit auch den Werten der GWÖ entspricht, da er auf Chancengleichheit, Teilhabe und gesellschaftlichen Nutzen abzielt.
- Suffizienz und digitale Nachhaltigkeit: Untersuchung, was Suffizienz bei digitalen Produkten bedeutet, zum Beispiel durch ressourcenschonende Technologien oder effiziente Weblösungen, die möglichst wenig Energie verbrauchen und barrierefrei bedienbar sind.
- Ökologische Schwachstellen: Suche nach Bereichen, die noch nachhaltiger gestaltet werden können, zum Beispiel bei Büroressourcen, technischen Geräten und digitalen Prozessen.
- Verbesserungspotenziale: Identifikation konkreter Maßnahmen, die uns helfen sollen, in Zukunft noch konsequenter nach den Prinzipien der GWÖ zu handeln.
Der Prozess hat uns gezeigt, wie umfassend die GWÖ auf Organisationen schaut. Besonders spannend war für uns die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und unserem täglichen Tun: Von der barrierefreien Gestaltung digitaler Produkte bis hin zu Gedanken über Suffizienz und den bewussten Umgang mit Ressourcen. Die gezielte Auseinandersetzung mit all diesen Aspekten ist für uns nicht nur bereichernd, sondern auch eine wertvolle Basis, um als Unternehmen weiter zu wachsen und uns gezielt weiterzuentwickeln.
Warum überhaupt?
Für uns war schnell klar, dass die Werte der GWÖ perfekt zu uns passen. Unser Kerngeschäft dreht sich um den Abbau von Barrieren — sowohl digital als auch gesellschaftlich. Mit der GWÖ wollten wir herausfinden, wo wir bereits auf dem richtigen Weg sind und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt.
Aufwand
Zu Beginn gab es Diskussionen im Team. Der Aufwand für den Bilanzierungsprozess war schwer einzuschätzen. Fragen wie „Lohnt sich das?“ oder „Können wir das stemmen?“ standen im Raum. Letztlich trafen wir per Konsent die Entscheidung: Ja, wir gehen diesen Weg! Gleichzeitig gründeten wir den Arbeitskreis „Gemeinwohl & Nachhaltigkeit“, um unsere Bemühungen gezielt zu steuern.
Rückblickend war der Aufwand für den GWÖ-Bericht höher als erwartet. Doch das lag allein daran, dass wir uns bewusst entschieden haben, so viel Zeit und Energie in diesen Prozess zu investieren — und dass das Engagement im Team mit der Zeit wuchs. Die GWÖ bietet einen umfassenden Rahmen, um das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen und neue Potenziale zu entdecken. Sie zeigt zugleich, dass Gemeinwohlorientierung kein „Nebenbei“-Thema ist, sondern tief ins Unternehmen hineinwirkt. Unser Fazit: Der Einsatz hat sich gelohnt, und wir fühlen uns bestärkt, diesen Weg weiterzugehen.
Nutzen
In einer idealen Welt unterstützt die GWÖ-Zertifizierung uns alle dabei, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen — etwa bei der Auswahl von Lieferant*innen oder Kundschaft. Letztlich liegt es in der Hand von uns allen, welche Unternehmen erfolgreich sind und langfristig überleben. Durch bewusste Entscheidungen können wir gezielt Unternehmen stärken, die nach den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie handeln. Wer sich für ein GWÖ-zertifiziertes Unternehmen entscheidet, investiert aktiv in dessen Zukunft — eine mächtige Möglichkeit, die Wirtschaft positiv zu beeinflussen. Auch wir hoffen, dass unsere Kundschaft diesen Weg geht und sich mit den Werten der GWÖ auseinandersetzt. Denn wir möchten zeigen: Nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften ist nicht nur möglich, sondern für alle lohnenswert.
Natürlich gibt es auch kritische Stimmen zur GWÖ — etwa zur Messbarkeit einzelner Kriterien oder zur Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen. Für uns war und ist die Auseinandersetzung mit diesen Punkten jedoch ein Teil des Prozesses, der uns geholfen hat, unsere eigenen Werte und Ziele zu schärfen. Die GWÖ ist kein perfektes System, aber sie ist ein wertvolles Werkzeug, um Wirtschaft in die richtige Richtung zu lenken und das eigene Handeln reflektiert weiterzuentwickeln.
Wie geht es weiter?
Unsere Zertifizierung ist erst der Anfang. Die nächste Bilanz liegt in der Zukunft, und bis dahin wollen wir uns in vielen Bereichen weiterentwickeln:
- Maßnahmen umsetzen: Viele Vorhaben aus dem Bericht, zum Beispiel eine noch systematischere Lieferant*innen-Befragung und konkrete Schritte zur Reduktion unseres CO₂-Fußabdrucks.
- Transparenz erhöhen: Wir planen eine ausführliche Online-Version unseres Berichts und möchten ihn aktiv mit unserem Netzwerk teilen.
- Digitale Suffizienz vertiefen: Wir wollen digitale Produkte bewusster und effizienter entwickeln, um Ressourcen zu schonen.
- Weitere Inspiration liefern: Hoffentlich ermutigen wir euch, selbst über die GWÖ nachzudenken — oder andere Wege für mehr Fairness und Nachhaltigkeit zu gehen.
Besonderen Dank richten wir an unsere Gemeinwohlberater Bernd Hümmer und Thomas Mönius, die uns mit ihrer Expertise durch den Peer-Prozess begleitet haben; an die Gefährt*innen unserer Peer-Gruppe, Sonja Segerer von SEKO sowie Niklas Held und Mailin Cao Van von der PGR, für den inspirierenden Austausch und die Zusammenarbeit; an alle Lieferant*innen, die sich die Zeit genommen haben, auf unsere Umfrage zu reagieren; und an unser gesamtes Team, das sich mit Engagement am Bericht beteiligt hat und auch bei der Umsetzung der Maßnahmen unterstützen wird.
Komm gern auf uns zu!
Falls du dich für die GWÖ, Barrierefreiheit oder nachhaltige Digitalisierung interessierst, freuen wir uns sehr über einen Austausch. Gemeinsam schaffen wir eine Wirtschaft, die allen Menschen dient — und dabei menschlich, zukunftsfähig und gerecht bleibt.