Warum ich Märchen brauche
oder meine heimliche Beziehung zum Magischen Realismus
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Zsuzsa Trieb stößt als UX/UI-Designerin zum Tollwerk. Die Ungarin, Malerin und Mutter stellt sich vor und gewährt einen persönlichen Einblick in ihre Leidenschaft.
Dass Kinder Märchen brauchen, ist selbstverständlich. Viele ihrer Fähigkeiten werden durch Märchen entwickelt. Dass wir Erwachsenen ebenfalls Fabeln nutzen, um uns das Geschehen (oder Nicht-Geschehen
, Wünsche) um uns herum gegenseitg zu erzählen und damit verstehen zu können, ist vielen gar nicht so bewusst.
Für mich ist Erzählen
gerade in diesen Zeiten eine gute Verarbeitungsform. Meine Beziehung zum Erzählen hat vor vielen Jahren begonnen, als ich mit 20 das Buch Hundert Jahre Einsamkeit
von Gabriel García Márquez, dem Vater des Magischen Realismus, gelesen habe. Ich fand die Geschichte bezaubernd. Er schreibt die ganze Story realistisch, und auch die märchenhaften Fragmente sind präzise beschrieben. Er will, dass ich das Märchen glaube. Und genau dieses Ziel hat mich so tief inspiriert. Ich habe die Geschichte in mir wirken lassen und als Ergebnis entstand das selbe Ziel: Ich will so malen, wie Márquez schreibt. Anders, ich will unreale Dinge so malen, dass sie der Betrachter glauben kann. So kamen Träume als Thema bei mir auf die Leinwand.
Viele Menschen träumen so, dass sie sich nach dem Aufwachen klar an alles erinnern können. Träume sind Märchen von nicht realen Dingen, realistisch erzählt. So können wir aus dem Alltag aussteigen und Unmögliches erleben, eine Giraffe vom eigenen Balkon aus füttern oder Stufen im Flug nehmen.
Einer meiner wiederkehrenden Träume ist, dass ich fliegen kann. Der langsame Spaziergang wird zum Laufen, das sich ins Fliegen wandelt. Auf einmal heben sich die Beine von den Stufen, und ich fliege mit einer unbeschreibbaren Leichtigkeit. Unter mir liegt ein großer Wald und ich sehe das grüne Laub der Bäume von oben. Meine Gedanken sind beim Landen — ich fürchte, dass ich mich verletze. Doch das Gegenteil passiert: Ich lande genau so sanft, wie ich den Boden unter mir gelassen habe.
Mit meinem 3-jährigen Sohn erlebe ich Märchen anders. Seine Freude und Ängste verarbeitet er auch durch Märchen. Wie alle Kinder lebt er ganz intensiv in der magischen Welt, wo alles möglich ist. Seine Natürlichkeit fasziniert und inspiriert mich.
Kunst hilft mir, eine kleine Pause zu machen und dabei gedanklich wieder frei zu werden. So gehen die Arbeit und das Leben unbeschwerter weiter. Ich freue mich, ab jetzt Teil des Tollwerk-Teams zu sein — und vor allem auf die Zeit, in der alles wieder normal läuft.