Barrierefreie Mehrfach-Fußnoten im InDesign-PDF

Veröffentlicht als Einblick
von Joschi Kuphalam

Zum Abschluss eines Grafikdesign-Projekts übertrug uns eine Kundin kürzlich die Aufgabe, eine inhouse gestaltete und druckfertig vorbereitete InDesign-Broschüre zusätzlich als barrierefreies PDF/UA aufzubereiten. Außerdem sollten wir generelle Optimierungsmöglichkeiten, die wir in den Quelldaten fänden, an die Kundin zurückmelden, so dass diese bei künftigen Projekten von vorne herein verbessert umgesetzt werden konnten.

Ein Merkmal der Broschüre war, dass darin extensiv mit Fußnoten gearbeitet wurde. Insbesondere wurden viele Fußnoten mehrmals, manche sogar vielfach referenziert. Die Barrierefreiheit von Fußnoten in PDF-Dateien ist ein durchaus vieldiskutiertes Thema, und die gängigen Autorenprogramme (Microsoft Word, Adobe InDesign etc.) bieten unterschiedlich gute Unterstützung für die etablierten Umsetzungsvarianten. In diesem Artikel soll nicht auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Ausgestaltungsmöglichkeiten eingegangen werden, daher geben wir hier nur eine kurze Skizze der typischen Ansätze:

  • Entweder, eine Fußnote wird lediglich visuell aus dem Lesefluss genommen und für Sehende ans Ende des Absatzes oder der Seite gestellt, verbleibt aber strukturell an ihrer ursprünglichen Position in der Lesereihenfolge. Sie wird dann von Screenreadern unmittelbar nach der Fußnotenreferenz, häufig eine hochgestellte Ziffer, im Text vorgelesen. Visuell springt der Fokus beim Lesen zur Fußnotenposition und danach wieder zurück in den Text.
  • Alternativ kann eine Fußnote auch real beziehungsweise in der Lesereihenfolge aus dem Text heraus an eine beliebige Stelle im Dokument verlegt werden. Sie muss dann über eine aktivierbare Verknüpfung referenziert werden, und ein reziprokes Link am Ende der Fußnote muss zurück zur referenzierenden Stelle führen. Auf diese Weise wird es Screenreader-Nutzenden möglich, Fußnoten wahlweise anzuspringen oder auch zu übergehen. Nicht sinnvoll gelöst werden kann so allerdings die Situation, in der ein- und dieselbe Fußnote mehrfach genutzt werden soll, denn dann wäre das Rücksprungziel nicht eindeutig.

InDesign beherrscht von Haus aus nur die erste der oben genannten Techniken, die für kurze Fußnoten-Einschübe durchaus geeignet sein kann. Für die zweite Variante mit verlinkten Fußnoten muss ein Zusatz-Plugin wie MadeToTag herangezogen werden, oder die notwendigen Tag-Strukturen müssen mühsam von Hand im PDF hergestellt werden. Mit Blick auf die Möglichkeiten unserer Kundin haben wir uns für die im Folgenden beschriebene Umsetzungsstrategie allerdings auf die Bordmittel von InDesign konzentriert und die Nacharbeiten im PDF auf ein Minimum reduziert. Auch aufwendigere Ansätze, etwa mit JavaScript-basierten Dialogen, kommen aus demselben Grund nicht in Frage.

InDesign-Standard

Bei der standardmäßigen Verwendung des Fußnotenwerkzeugs (im Menü „Schrift → Fußnote einfügen“) setzt InDesign für jede Fußnote eine hochgestellte Ziffer als Referenz in den Text und positioniert den eigentlichen Fußnoteninhalt ans Ende des jeweiligen Textrahmens. Wird das Dokument als interaktives PDF exportiert (im Menü „Datei → Exportieren… → Adobe PDF (interaktiv)“; die Option „PDF mit Tags erstellen“ muss aktiviert sein), so werden die notwendigen Tag-Strukturen für die oben beschriebene, erste Umsetzungsvariante erzeugt.

Screenshot des Adobe-Indesign-Dialogs „Als interaktive PDF exportieren“. Die Option „PDF mit Tags erstellen“ ist aktiviert und durch eine blaue Umrandung hervorgehoben.
Export mit Bordmitteln

Für den Export eines „getagten“ PDF sind kein Zusatzwerkzeuge notwendig. „Perfekt“ ist das Ergebnis ohne Nacharbeit jedoch leider nicht.

Quelle: Joschi Kuphal / tollwerk GmbH, , Alle Rechte vorbehalten

Mit den InDesign-Standardwerkzeugen ist es nicht möglich, Fußnoten mehrfach zu referenzieren. Jedes Vorkommen einer Fußnote wird, auch bei identischem Inhalt, einzeln dargestellt und fortlaufend nummeriert. Nicht nur wird so übermäßig viel Platz für identische Fußnoten verwendet, auch bekommen Screenreader-Nutzende wieder und wieder die Fußnoteninhalte vermittelt, ohne diese umgehen zu können.

Quelle: , Joschi Kuphal / tollwerk GmbH, , Alle Rechte vorbehalten
Transkript: Deutsch (German)

Überschrift Ebene 1: Rotkäppchen auf Amtsdeutsch (Standard-Fußnoten)

Autor unbekannt

Im Kinderfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.

Der Mutter besagter R — Link eins — Eins: Abkürzung für Rotkäppchen — wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungsmittel und Genussmittel zu Genesungszwecken zuzustellen. Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R — Link zwei — Zwei: Abkürzung für Rotkäppchen — seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassen der Waldwege auf Kreisebene belehrt.

Pseudo-Fußnotenverweise im InDesign

Mit ein paar Handgriffen — zunächst im InDesign, abschließend im exportierten PDF — kann das Nutzungserlebnis bei wiederholt referenzierten Fußnoten für assistive Technologien verbessert werden. In unseren Experimenten hat sich die folgende Vorgehensweise als vorteilhaft herausgestellt:

  • Zunächst wird im InDesign nur noch das erste Vorkommen einer Fußnote über das Standardfußnoten-Werkzeug eingefügt.
  • Wir empfehlen, die Gestaltung der Fußnoten-Referenzen (hochgestellte Ziffern) als eigenständiges Zeichenformat zu definieren und aussagekräftig zu benennen (zum Beispiel „Fußnotenreferenz“). Dieses Zeichenformat kann dann im Dialog „Schrift → Optionen für Dokumenfußnoten…“ unter „Nummerierung und Formatierung → Formatierung → Fußnotenverweisnummer im Text → Zeichenformat“ als Standard gewählt werden. Auf diese Weise wird eine zuverlässige und dokumentweit einheitliche Formatierung der Verweise sichergestellt. Gleichzeitig kann dasselbe Format bequem für die folgenden Pseudo-Fußnotenverweise verwendet werden.
  • Anstatt beim wiederholten Verweis auf eine bereits definierte Fußnote erneut das Fußnoten-Werkzeug zu verwenden, muss lediglich die entsprechende Verweisziffer eingefügt und mit dem vorbereiteten Zeichenformat belegt werden. Der so platzierte Pseudo-Fußnotenverweis sieht zwar aus wie ein normaler Fußnotenverweis, hat jedoch keine besondere Semantik oder Funktion. Falls kein explizites Zeichenformat für die Referenzen verwendet wird, muss das Aussehen der Pseudo-Referenz gegebenenfalls händisch an die „normale“ Fußnotengestaltung angepasst werden.

Optimierte Beschriftungen im PDF

Damit die im InDesign platzierten Pseudo-Fußnotenverweise für assistive Technologien aussagekräftig sind, werden manuelle Optimierungen im exportierten PDF notwendig. Um die PDF-Tags wie beschrieben anzupassen, nutzen wir meist Adobe Acrobat — es ermöglichen aber auch andere Werkzeuge die notwendigen Arbeitsschritte. Wir setzen ein grundlegendes Verständnis für die Arbeit an der Tag-Struktur von PDF-Dateien voraus.

Wir beginnen die Optimierungsarbeit mit einer Anpassung der jeweils ersten, „echten“ Fußnotenreferenzen. Dieser Schritt wäre nicht zwingend notwendig, doch wir finden, er lohnt sich. Dazu lokalisieren wir für jede Fußnote das <SPAN>-Tag um die hochgestellte Referenznummer in der Tag-Struktur, öffnen seine „Eigenschaften…“ über das Kontextmenü und tragen als Originaltext (Actual Text) den Wert „Fußnote X“ ein. Mit diesem Handgriff bringen wir Screenreader dazu, statt „Link eins“ das aussagekräftigere „Link Fußnote eins“ zu lesen.

Screenshot von Adobe Acrobat: In der Tags-Leiste linkerhand ist ein SPAN-Element mit einem blauen Rahmen hervorgehoben. Ein blauer Pfeil zeigt auf eine ebenfalls blau umrandete Fußnote 1 im Dokument. Von dort zeigt ein blauer Pfeil auf einen geöffneten Eigenschaftsdialog, in dessen Feld &quot;Originaltext&quot; der Wert &quot;Fußnote 1&quot; steht.
Optimierte, erste Fußnote

Die erste Referenz auf die Fußnote ist verlinkt, so dass diese eingeschoben vorgelesen wird. Der Linktext ist manuell zu "Fußnote 1" ergänzt.

Quelle: Joschi Kuphal / tollwerk GmbH, , Alle Rechte vorbehalten

Ganz ähnlich verfahren wir anschließend mit den wiederholten Referenzen auf Fußnoten: Auch für sie lokalisieren wir die umgebenden ``-Tags in der Tag-Struktur (die aufgrund der Zeichenformatzuweisung im InDesign entstanden sein sollten) und versehen sie mit einem individuellen Originaltext (Actual Text).

Screenshot von Adobe Acrobat: In der Tags-Leiste linkerhand ist ein SPAN-Element mit einem blauen Rahmen hervorgehoben. Ein blauer Pfeil zeigt auf eine ebenfalls blau umrandete Fußnote 1 im Dokument. Dieses ist eine Wiederholung der bereits zuvor verwendeten ersten Fußnote. Von dort zeigt ein blauer Pfeil auf einen geöffneten Eigenschaftsdialog, in dessen Feld &quot;Originaltext&quot; der Wert &quot;Fußnote 1 (wiederholt)&quot; steht.
Kompakte Wiederholung

Der wiederholte Einsatz der Fußnote wird nicht mehr verlinkt, aber textlich als Wiederholung gekennzeichnet.

Quelle: Joschi Kuphal / tollwerk GmbH, , Alle Rechte vorbehalten

Für unser Beispiel haben wir uns für die Formulierung „Fußnote 1 (wiederholt)“ entschieden, aber auch Varianten davon sind denkbar. Die Beschriftung sollte Screenreader-Nutzenden knappen, eindeutigen Aufschluss darüber geben, dass eine Fußnote referenziert wird, die bereits zuvor definiert wurde, ohne die Fußnote als solche zu wiederholen. Denkbar wäre für die Wiederholungen auch eine individuelle, stark verkürzte Version des Fußnoteninhalts.

Die demonstrierte Umsetzung ist sicher nicht „perfekt“, aber wir finden, sie stellt einen guten Kompromiss aus einer halbwegs einfachen Lösung mit InDesign-Bordmitteln, minimaler PDF-Nachbearbeitung und einem akzeptablen Nutzungserlebnis für assistive Technologien dar. Aber hört am besten einfach selbst — und lasst uns eure Meinung in den Kommentaren!

Quelle: Joschi Kuphal / tollwerk GmbH, , Alle Rechte vorbehalten
Transkript: Deutsch (German)

Überschrift Ebene 1: Rotkäppchen auf Amtsdeutsch (manuell angepasste Mehrfach-Fußnote)

Autor unbekannt

Im Kinderfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.

Der Mutter besagter R — Link Fußnote eins —

Eins: Abkürzung für Rotkäppchen — wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungsmittel und Genussmittel zu Genesungszwecken zuzustellen. Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R — Fußnote 1, wiederholt — seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassen der Waldwege auf Kreisebene belehrt.

Bei Interesse steht das für die Videoaufzeichungen genutzte PDF hier zum Download bereit. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich ausdrücklich nicht um ein PDF/UA-konformes Dokument handelt, da es nur mit dem InDesign-Standard exportiert wurde.