Barrierefreie Speisekarte

Veröffentlicht als Einblick
von Sophie Brunneram

„Barrierefreie Speisekarte“ — dieses Projekt tauchte eines Tages in unserem Planungs-Board auf. Zugewiesen war es unserem Print- & Kommunikationsdesigner Bertram. Die Lebenshilfe für die Grafschaft hatte angefragt: Für ihr Kaffeehaus SAMOCCA wünschten sie sich neue, hochwertige Speisekarten, die so barrierefrei wie möglich gestaltet sein sollten.

Die Speisekarte mit dem Titel "SAMOCCA - Kaffeerösterei, Café, Deli" wird von einer Hand vor eine weiße Wand gehalten. Der Einband ist schwarz, die Schrift in Gold geprägt.
Außenansicht

Wie sieht die barrierefreie Speisekarte von innen aus?

Quelle: Jolanta Dworczyk, , Alle Rechte vorbehalten

Barrierefreiheit wurde in diesem Projekt auf mehreren Ebenen gedacht: Für die Café-Besuchenden sollten die Informationen der Speisekarte vor allem gut wahrnehmbar und verständlich sein. Zusätzlich sollte es eine Handvoll Speisekarten in Braille-Schrift geben, die von Wilhelm Lutzenberger von ProTak, ebenfalls aus Nürnberg, umgesetzt wurde. Für die Café-Mitarbeitenden war besonders wichtig, dass die Speisekarten einfach zu pflegen sind. Dazu gehörte unter anderem der Mechanismus, mit dem einzelne Seiten der Speisekarten regelmäßig ausgetauscht werden können.

Eine besondere Herausforderung bei dem Projekt war, dass es bislang kein oder nur kaum Material und Referenzprojekte für barrierefreie Speisekarten gab. Doch Bertram konnte auf seine langjährige Erfahrung und Expertise in der Umsetzung inklusiver Printprodukte zurückgreifen. Da das Projekt nun erfolgreich abgeschlossen ist, war das gesamte Team neugierig, wie Bertram die barrierefreie Speisekarte umgesetzt hatte. Im Projektgespräch berichtete er von seinen Erfahrungen und stellte das Ergebnis vor.

Barrierefreie Umsetzung

Die barrierefreie Gestaltung der Speisekarte folgte dem Grundprinzip: Reduktion auf die wesentlichen Informationen und das Weglassen von Überflüssigem. Bei der Farbgebung ist ausreichender Kontrast wichtig. Daher und aufgrund des bestehenden Corporate Designs fiel die Wahl auf die Schriftfarbe Schwarz. Auf Farben oder gar Bilder im Hintergrund wird verzichtet, damit die Schrift einwandfrei lesbar ist. Unterstützend dazu wurde die Schriftart Luciole gewählt, bei der unter anderem die Buchstaben besonders gut unterscheidbar sind, und diese ausreichend groß gesetzt.

Damit sich die Lesenden und Nutzenden der Speisekarte gut orientieren können, sind alle inhaltlichen Abschnitte zusätzlich mit einem repräsentativem Icon versehen. Icons dienen auch dazu, die unterschiedlichen Fleischsorten sowie vegetarische Gerichte auszuzeichnen. Die Fotos der einzelnen Speisen wurden extra von der Fotografin Lauren Rote angefertigt. Dabei wurde darauf geachtet, dass man die Zutaten der Gerichte direkt aus den fotografischen Abbildungen herauslesen und erfassen kann. Die stimmungsvollen Bilder von Kuchentheke, Getränken und Kaffee fotografierte Sarah Boll.

Auch bei der Optimierung der Texte hinsichtlich Barrierefreiheit unterstützte Bertram: „Wir verzichten weitestgehend auf Anglizismen und Abkürzungen. Außerdem hab ich angeregt, dass bei den Beschreibungen der Speisen einfache und stringente Formulierungen verwendet werden.“ Lange inhaltliche Textabschnitte wurden in Leichte Sprache übersetzt.

Eine Speisekarte liegt auf einem Holztisch. Links daneben eine Grünpflanze. Rechts daneben Salz- und Pfefferstreuer. Aufgeschlagen ist die Seite mit Suppen und Kartoffelpuffer.
Innenansicht

Große Schrift und Icons sorgen für Orientierung.

Quelle: Angela Burchard, , Alle Rechte vorbehalten

Herausforderungen

Auf die Frage, was für ihn die größte Herausforderung bei dem Projekt gewesen sei, antwortete Bertram, dass er vor allem in die Gestaltung der Icons viel Zeit und Gedanken investiert hatte.

Welche Icons sind besonders deutlich? Welche Vorstellungen über bestimmte Icons gibt es? Wie kann ich sehr ähnliche Kategorien wie zum Beispiel Tee, Kaffee und heiße Schokoladen voneinander abgrenzen?

— Bertram Bergner

Schlussendlich zeichnete Bertram einfach gehaltene Icons mit klaren Linien, die beispielsweise auch im Schummerlicht eines gemütlichen Cafés gut sichtbar sind. Genau dieser Gestaltungsteil machte ihm auch am meisten Spaß bei dem Projekt. Außerdem fand er spannend, dass sich ein barrierefreies Gesamtkonzept verwirklichen ließ: Von der Schrift-, Farb- und Icon-Gestaltung hin zur Formulierung der Texte, bis zum Einband mit geprägtem Titel, liegen alle Faktoren in einer Hand und lassen sich sogar in einem physischen Medium erfassen.

Eine Speisekarte mit schwarzem Einband und weißen Seiten mit Braille-Kurzschrift.
Braille-Version

Die Speisekarte in Braille-Kurzschrift auf Vorder- und Rückseite.

Quelle: Jakob Bollenz, , Alle Rechte vorbehalten

Learnings

In jedem Projekt gibt es etwas Neues zu lernen. In diesem Fall war es für Bertram die Umsetzung in Braille-Schrift:

Ich habe zum ersten Mal mit längeren Braille-Texten gearbeitet und dabei gelernt, dass es unterschiedliche Anwendungen der Braille-Schrift gibt. In der Speisekarte verwenden wir zum Beispiel die Braille-Kurzschrift, um den Umfang überschaubar zu halten. Erstaunlich ist auch, dass Braille ohne Probleme gleichzeitig auf Vorder- und Rückseite gedruckt werden kann.

Auch wir konnten dank Bertram und seinen Projektpartnern viel über inklusives Design und barrierefreie Printprodukte lernen. Jetzt haben wir Lust, im Kaffeehaus SAMOCCA in Nordhorn vorbeizuschauen und die barrierefreien Speisekarten im Einsatz zu sehen. Vielleicht verschlägt es uns ja bald mal in den hohen Norden :). Wir freuen uns natürlich auch, wenn unsere Blog-Lesenden aus dem Norden das Kaffeehaus besuchen und uns anschließend von ihren Erfahrungen mit Bertrams barrierefreien Speisekarten berichten.