eGovernment Podcast

Veröffentlicht als Einblick
von Joschi Kuphalam
Quelle: egovernment-podcast.com, Torsten Frenzel, , Alle Rechte vorbehalten
Transkript: Deutsch (German)

TORSTEN FRENZEL: Ja, hallo und herzlich willkommen zur 173. Ausgabe des E-Government-Podcast. Ich bin Torsten Frenzel. Heute spreche ich mit meinem Gast über ein Thema, was die Verwaltung sehr stark interessiert und was immer noch leider im Hintertreffen ist. Ich habe heute bei mit zu Gast Joschi. Hallo, ich grüße dich.

JOSCHI KUPHAL: Hallo Torsten. Schön, dass ich da sein darf.

TORSTEN FRENZEL: Joschi, vielleicht stellst du dich ganz kurz vor, wer du bist, was du so machst.

JOSCHI KUPHAL: Gerne. Also, mein Name ist Joschi Kuphal. Ich sitze in Nürnberg, habe dort eine kleine Werbe- und Web-Agentur gegründet. Das ist schon fast 25 Jahre her. Und da machen wir in erster Linie Websites, aber auch Printprodukte und haben uns da vor 10, 15 Jahren den Schwerpunkt Barrierefreiheit rausgesucht bzw. sind komplett dahin abgebogen und sind dementsprechend für zugängliche Kommunikation oder barrierefreie Kommunikation Spezialisten. Ich selber habe die meiste Zeit als Programmierer und Designer verbracht. In den letzten Jahren ist es dann aber zunehmend in die Richtung Prüfer und quasi Berater gegangen. Und heute bin ich fast die meiste Zeit unterwegs, indem ich entweder Organisationen und vielleicht auch Unternehmen dabei begleite, ihre Kommunikation barrierefrei zu gestalten. Ich vermittle, was da Ansätze sind. Und ich bin auch sehr stark in der Lehre tätig. Das heißt, ich unterrichte an zwei Hochschulen alles Mögliche zum Web, aber vor allem auch mit dem Schwerpunkt Barrierefreiheit.

TORSTEN FRENZEL: Genau. Und zum Thema Barrierefreiheit wollen wir uns heute unterhalten. Du bist mir empfohlen worden von einem gemeinsamen Bekannten. Und wir haben in einer kurzen Vorbesprechung festgestellt, dass das ganz gut funktioniert mit uns beiden. Und deswegen frage ich dich gleich mal als allererstes, was heißt denn überhaupt Barrierefreiheit?

JOSCHI KUPHAL: Naja, der Begriff Barrierefreiheit ist ja jetzt einer, der nicht ausschließlich aus dem Webumfeld kommt, sondern man kennt den möglicherweise eher aus der baulichen Welt. Das heißt, stell dir vor, du hast eine Stufe an deinem Eingang, dann ist da eine Barriere für Menschen beispielsweise, die einen Rollstuhl benutzen. Und ähnliche Phänomene oder ähnliche Hindernisse gibt es auch bei allem, was digitale Medien angeht oder bei Kommunikation im Allgemeinen. Das heißt, eine Website kann beispielsweise dahingehend problematisch sein, als dass sie zum Beispiel nicht richtig wahrgenommen werden kann für jemanden, der vielleicht nicht so gut sehen kann oder dass sie vielleicht nicht gut bedient werden kann. Es gibt Menschen, die aus verschiedenen Gründen beispielsweise keine Maus benutzen können und dann darauf angewiesen sind, mit der Tastatur durch eine Website zu gehen oder eine Anwendung zu benutzen. Und so gibt es einfach ganz viele verschiedene Barrieren in allen möglichen Bereichen, seien das Wahrnehmungsproblematiken, seien das Bedienungs- oder Verständnisproblematiken. Und Barrierefreiheit ist — oder digitale Barrierefreiheit in dem Fall ist sozusagen die Disziplin, die sich darum kümmert, diese Barrieren loszuwerden, aufzulösen. Man muss — ich weiß nicht, ob wir dann später darüber sprechen … Es ist im Wesentlichen eigentlich eine bisschen falsche Formulierung. Wir müssen keine Barrieren auflösen, weil die nämlich nicht naturgegeben sind, sondern Barrieren bauen wir in der Regel auf, wissentlich oder unwissentlich, indem wir eben zum Beispiel Websites nicht barrierefrei gestalten oder nicht barrierefrei umsetzen. Das heißt, wir müssen eigentlich nicht Barrieren abbauen, sondern wir müssen nur verhindern, Barrieren aufzubauen. Aber das ist jedenfalls das große Feld der Barrierefreiheit. Das betrifft alles, was im Internet läuft. Das kann auch Dokumente betreffen beispielsweise oder jede Form von digitaler Kommunikation.

TORSTEN FRENZEL: Du hast vorhin schon das Thema der Rollstuhlfahrerin gebracht, die plötzlich vor Treppen steht und nicht voran kommt. Jetzt wissen wir alle, wie unsere Städte gebaut sind, wie viele Treppen, Stufen und Kanten es da gibt. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich habe irgendeine andere Einschränkung, weil so eine Rollstuhlfahrerin kann wahrscheinlich sehr gutes Internet bedienen oder einen Computer bedienen, aber ich habe vielleicht andere Einschränkungen wie ich bin blind, ich kann schlecht hören, ich kann meine Finger nicht bewegen oder ähnliches. Wie schwierig ist das dann im ganzen Umfeld des Internets beziehungsweise in der Bedienung von Software, Desktop-Software oder Ähnlichem?

JOSCHI KUPHAL: Naja, das kann von kleinen „Problemen“ anfangen, sodass ich schlichtweg bestimmte Inhalte nicht verstehe oder vielleicht sogar gar nicht erfassen kann, bis hin zu wirklich gravierenden Problemen, sodass ich eine Website oder eine Anwendung überhaupt gar nicht bedienen kann, also keine sinnvolle Information da drin finde. Beispiel, wenn wir zum Beispiel ein PDF anschauen, also ein Dokument, da kann das möglicherweise für sehende Nutzende wunderbar zu erfassen sein, aber für einen Menschen, der Vorlesesoftware, das ist ein sogenannter Screenreader, verwendet, könnte es passieren, dass dieses Dokument komplett leer scheint. Das heißt, also die Bandbreite ist da natürlich extrem groß, das hängt sehr stark davon ab, einerseits, welche Behinderung oder welche Einschränkung ich habe — oder vielleicht sind sogar mehrere gleichzeitig — und es hängt auch von der Technik ab oder von den Medien ab, die ich da anschaue, also da kann es von kleinen Schwierigkeiten bis hin zur vollkommenen Unbrauchbarkeit gehen.

TORSTEN FRENZEL: Da habe ich gleich mal eine Frage, die mich brennend interessiert. Also ich kann ja PDFs inzwischen so bauen, dass die auch mit Screenreadern gelesen werden können, aber wie liest ein Screenreader Charts? Also Bilder, klar, mit dem Alt-Text, aber wie liest ein Screenreader ein Diagramm?

JOSCHI KUPHAL: Ich greife jetzt mal was auf, was du gerade so im Nebensatz angefangen hast. Also es ist natürlich so, dass eine rein visuelle Information, nehmen wir mal ein Bild im einfachsten Fall, für jemanden, der Schwierigkeiten mit der Sicht auf Dinge hat, erst mal natürlich überhaupt so nicht verwertbar ist und das Zauberwort oder das Geheimnis da bedeutet, dass die visuelle Information eine textliche Alternative braucht. Textalternative heißt also, dass ich eine Beschreibung dessen habe, was in diesem visuellen Medium zu sehen ist. Am besten stellst du dir das vor, wie wenn du jemandem am Telefon erklären sollst, was in einem Bild zu sehen ist beispielsweise. Das erst man nur so ganz allgemein als Basisinformation und das lässt sich jetzt auf alles, was visuelles Medium ist, übertragen. Das betrifft also beispielsweise auch Videos. Auch da brauche ich Textalternative, das kann man beispielsweise tun in Form von Untertiteln oder in Form von einer Transkription. Und um jetzt auf deine Frage mit dem Chart einzugehen, da ist es im Wesentlichen nicht anders. Wir haben es da mit einer visuellen Information zu tun, die braucht eine Textalternative, damit sie interpretiert oder verstanden werden kann. Jetzt ist es in der Regel so, dass ein Chart — und das ist wahrscheinlich das, was du da gerade ansprichst oder hören willst —, dass ein Chart natürlich in der Aussage möglicherweise sehr komplex ist. Das heißt, da stecken ja vielleicht Daten drin. Lass das mal ein Balkendiagramm sein oder ein Tortendiagramm oder ähnliches. Da stecken natürlich Daten drin, die man visuell vielleicht interpretieren kann, aber wo es dann gar nicht so einfach ist, einen Alternativtext dafür zu schreiben. Jetzt muss man vielleicht noch dazu wissen, dass es beim Alternativtext zwar keine technischen Einschränkungen in dem Sinn gibt, aber es trotzdem nahe liegt, den nicht besonders umfangreich zu machen. Ich gehe da jetzt mal nicht in die Details, aber Alternativtext sollte in der Regel wirklich knackig, kurz, aussagekräftig sein, keinen Ballast transportieren. Also wirklich minimal Information, um zu verstehen, was in diesem visuellen Medium zu sehen ist. Das ist jetzt bei Diagrammen möglicherweise gar nicht so ohne Weiteres möglich, weil einfach die Informationsdichte da sehr hoch sein kann. In dem Fall müsste man, was den Alternativtext oder die Textalternative angeht, ein bisschen kreativ werden. Kreativ werden heißt, eventuell ist diese Beschreibung des Inhalts gar nicht mal in dem Sinn jetzt ein Alternativtext, der nicht zu sehen ist, sondern vielleicht schaut man als erstes mal, ob es die Möglichkeit gibt, eine textliche Zusammenfassung der Inhalte wirklich neben dieses Diagramm zu schreiben, einfach als Text für alle sichtbar. Und die Erfahrung zeigt, dass auch sehende Nutzerinnen und Nutzer zum Teil sich bedanken dafür, dass sie noch mal eine textliche Interpretation haben, weil es nämlich auch Menschen gibt, die zum Beispiel aufgrund von kognitiven Einschränkungen Schwierigkeiten mit der Interpretation von so einer rein visuellen Information haben. Also die erste Frage wäre, kann ich den Inhalt von so einem Diagramm auch einfach generell beschreiben. Das ist jetzt natürlich nicht, dass man dann schreibt / sagt, da ist ein roter Kasten und der ist so und so hoch und da steht eine Zahl drüber, die ist so und so. Sondern man würde sich fragen, was will mir denn dieses Diagramm, was will mir diese Infografik überhaupt mitteilen. Da ist beispielsweise ein Trend abzulesen, dass sich Zahlen über mehrere Jahre so und so entwickelt haben oder so was. Und dann würde ich diesen Trend in Worte fassen und würde eben beispielsweise beschreiben: „Man sieht, dass zum Jahresende die Umsatzzahlen so und so viel gestiegen sind“ oder sowas. Also die erste Frage wäre, kann ich diesen Inhalt, diese Aussage von so einer Grafik sinnvoll so beschreiben, dass es alle Menschen lesen können. Ich könnte natürlich dann auch so Spielarten davon wegarbeiten und sagen, ich schreibe das vielleicht nicht direkt neben das Bild, sondern ich habe vielleicht was, was ich dann einblenden kann, weil mir das sonst im Weg wäre oder vielleicht habe ich sogar einen Link auf eine Webseite, wo das dann nochmal beschrieben wird. Also da sind alle möglichen Varianten denkbar, aber im Wesentlichen ist es dieselbe Technik, nämlich ich beschreibe, was da zu sehen ist. Ich muss das vielleicht ein bisschen interpretieren. Ich tue es dann bloß nicht als so einen typischen Alternativtext für Bilder verpacken, sondern eher daneben oder danach legen. Ich hoffe, das beantwortet deine Frage so ein bisschen.

TORSTEN FRENZEL: Genau, also es ist im Prinzip so, das, was ich als sehender Mensch, was ich erfasse in diesem Diagramm, weil so ein Diagramm soll ja auch Komplexität verringern und die großen Zahlenkolonnen quasi sichtbar machen. Das, was ich da erfasse und die Informationen, die ich daraus ziehe aus diesem Diagramm, diese komplexitäts verringerten Informationen, die fasse ich nochmal in Worte, um es für Nichtsehende besser begreifbar zu machen.

JOSCHI KUPHAL: Genau, so würde ich es formulieren, ja.

TORSTEN FRENZEL: Okay, jetzt gibt es ja auch das ganze Thema, wenn wir gerade beim textlich begreifbar machen sind. Wir haben ja auch die Problematik, wir haben Menschen, die sich schwer tun mit deutschen Texten. Denken wir an unsere Zuwanderer und denken wir vor allen Dingen auch auf Menschen, die vom Intellekt her die Texte nicht erfassen können. Gehört das Thema Leichte Sprache auch zur Barrierefreiheit?

JOSCHI KUPHAL: Auf jeden Fall, auf jeden Fall. Also wenn wir gucken, wie wir Barrierefreiheit überhaupt definieren, also ich spreche jetzt mal aus der Perspektive eines Prüfers heraus, der beispielsweise eine Website oder eine Anwendung bescheinigen soll oder beziehungsweise untersuchen soll, ob die barrierefrei ist, dann gibt es dort, ich nenne es jetzt mal erst mal abstrakt, Regelwerke oder Standards, an die man sich halten kann und diese Standards beschreiben ein Mindestmaß, das erreicht werden sollte, damit man von Barrierefreiheit sprechen kann. Es gibt ein großes globales internationales Empfehlungswerk, das nennt sich die Web Content Accessibility Guidelines. Ihr hört am Begriff, dass das aus dem angelsächsischen Bereich kommt, das heißt, das ist erst mal eine internationale Standardsammlung, wenn man das so möchte und die pflanzt sich zu uns nach Europa in erster Ebene und in zweiter Ebene nach Deutschland fort, in dem es dann dort Richtlinien und Gesetze gibt, die von uns diesen Mindeststandard erwarten. Wir können da bestimmt noch darauf eingehen, wer uns ist an der Stelle. Auf jeden Fall sind dort Kriterien beschrieben und diese Kriterien definieren, was sozusagen der mindeste, das Mindestniveau ist, das wir da erreichen sollten, damit wir von Barrierefreiheit sprechen können. Und die WCAG, von denen ich gerade gesprochen habe, kennen vier große Kapitel und die auf Deutsch „Wahrnehmbar“ — also alles erstmal was damit zu tun hat, dass ich eine Information, ein Produkt, eine digitale Oberfläche überhaupt wahrnehmen kann über meine Sinne. Das zweite große Prinzip ist „Bedienbarkeit“. Also ich muss dann damit umgehen können. Ich muss es steuern, ich muss es navigieren können. Die dritte große Abteilung ist dann die „Verständlichkeit“. Und das ist genau der Bereich, in den die Frage mit der Leichten Sprache rein gehört. Also es hilft mir ja nichts, wenn ich ein Produkt habe, das ich zwar sehen und mit der Tastatur, mit der Maus bedienen kann, aber nicht verstehe, was ich da vor mir habe und was ich da tun soll. Und die vierte Abteilung in den WCAG ist noch das Prinzip der „Robustheit“. Das heißt, ich muss diese Website mit einer möglichst großen Zahl an Geräten und Einrichtungen bedienen können. Und es sollte eine Anwendung sein, die sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft funktioniert hat und weiter funktionieren wird. Also sie sollen möglichst nachhaltig und langfristig sein und mir als Nutzer die Wahl lassen, womit ich so eine Oberfläche dann bediene. Also kurzum, es gibt diese vier Kapitel und eines davon ist eben das Kapitel Verständlichkeit. Und da gehört natürlich alles hinein, was mit Leichter Sprache zu tun hat. Wobei jetzt Leichte Sprache ist der Begriff und ist sozusagen die Variante, die hier bei uns in Deutschland mit der deutschen Sprache präsent ist. In anderen Ländern gibt es andere Standards, die heißen dann anders. Die Web Content Accessibility Guidelines sprechen jetzt nicht explizit von Leichter Sprache. Allerdings das deutsche Gesetz, das für die öffentliche Hand beispielsweise gilt, nämlich die B arrierefreie Informationstechnikverordnung, die wiederum erwartet durchaus, dass zumindest bestimmte Informationen in Leichter Sprache vorhanden sein müssen, damit wir von Barrierefreiheit sprechen können.

TORSTEN FRENZEL: Jetzt hast du genau das Richtige angesprochen, das ist die BITV, die in der Version 2.0 aktuell vorliegt, die für die öffentliche Verwaltung und für die Angebote der öffentlichen Verwaltung verbindlich sind. Was passiert, wenn ich es nicht einhalte als öffentliche Verwaltung?

JOSCHI KUPHAL: Blitz und Donner. Nein, natürlich … Also es ist ein bisschen schwierig, das so richtig in Worte zu fassen. Man muss vielleicht auch ganz kurz noch zu der Historie dieser BITV, also barrierefreie Informationstechnikverordnung, was sagen. Die ist insofern eigentlich keine neue Sache, sondern wir haben in Deutschland seit 2002 schon die Aufgabe, dass die öffentliche Hand, Behörden, vor allem — nein Moment, also seit 2002 war es eigentlich erst mal nur die Bundesebene — die Verpflichtung hatte, barrierefrei zu sein, beschrieben in dieser BITV. Und wir haben seit 2016 eine veränderte BITV, BITV, die bezieht sich letzten die eben dann sukzessive auf die kommunale Ebene runtergerutscht ist. Und inzwischen müssen alle öffentlichen Stellen eben entsprechend barrierefrei sein. Und in dieser Endes auf die WCAG, von denen ich gerade sprach. Und zusammen mit dieser Novelle wurde eine Berichtskette etabliert. Das heißt, inzwischen ist Deutschland in der Pflicht der Europäischen Union regelmäßig den Status durchzugeben, also was sozusagen der Stand in Deutschland mit der Barrierefreiheit ist. Und dieser Status wird abgeliefert, indem die sogenannte Bundesüberwachungsstelle für Barrierefreiheit der Europäischen Union da Rechenschaft ablegt. Und die wiederum erhält ihre Information von den länderbezogenen Überwachungsstellen. Das heißt, jedes Bundesland hat inzwischen eine Überwachungsstelle und die hat den Auftrag, wie es so schön heißt, anlasslos Stichproben zu machen. Die beschäftigt sich also damit, sich die Websites vor allem von öffentlichen Stellen, Behörden und so weiter vorzunehmen und die zu prüfen. Und was der Erfahrung nach passiert, ist, dass wenn eine solche Webseite geprüft wird, dann kommt dabei ein Bericht raus. Der Bericht hat … in aller Regel zeigt der dann bestimmte Mängel an einer solchen Webseite. Also ich kenne kaum eine Behörde oder öffentliche Stelle, die wirklich hundertprozentig konform mit der BITV ist. Also werden da wahrscheinlich Mängel erfasst. Und diese Mängel sollten in erster Linie mal eben weiterberichtet werden, wie ich es gerade geschildert habe. Aber ich habe auch schon mehrere Kandidatinnen und Kandidaten erlebt, die dann mit so einem Bericht von der Überwachungsstelle beglückt wurden. Und die Überwachungsstellen machen da durchaus auch Druck. Das heißt, es gibt eine gesetzliche Verpflichtung. Die Überwachungsstellen teilen das einem mit, wenn sie so eine Stichprobe machen. Es gibt in einem bestimmten Maß auch die Möglichkeit, dass sich Menschen, die Schwierigkeiten mit Barrieren auf Webseites haben, da selber auch noch kundtun und das sozusagen melden. Aber das ist schwierig, dieser Weg. Es gibt auf jeden Fall die gesetzliche Pflicht. Und im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass eine Behörde auch verklagt wird. Was dann da Bußgelder sind, das weiß ich tatsächlich nicht. Da habe ich keine Informationen drüber, dass das schon mal in der Form passiert wäre. Aber ich weiß, dass die Überwachungsstellen eben gehörig Druck machen. Und ich, wie gesagt, schon mehrere Kandidatinnen und Kandidaten bei uns anklopfen gehabt habe, die dann gesagt haben, also wir müssen auf der Basis unserer Webseite jetzt reparieren. Hier ist der Prüfbericht. Was können wir tun?

TORSTEN FRENZEL: Du sprichst die ganze Zeit von, wir müssen die Webseite reparieren. Hier ist der Prüfbericht. Mach mal. Wie prüft man denn überhaupt so eine Webseite oder überhaupt so eine Software auf Barrierefreiheit oder auf Kompatibilität mit der BITV 2.0?

JOSCHI KUPHAL: Also zum einen ist es so, bevor ich die Frage „Wie?“ beantworte, gehe ich jetzt erst mal noch kurz drauf ein, „ was“ da überhaupt geprüft wird. Ich sprach ja vorhin schon von den Web Content Accessibility Guidelines, also diese Standardsammlung, die beschreibt, was an Minimum-Barrierefreiheit notwendig ist. Ich gehe jetzt mal nicht ganz tief ins Detail da rein, aber ich sage mal, an der Oberfläche kommt diese Sammlung von Standards hier mit einem Satz an—die nennen sich Erfolgskriterien. Die Erfolgskriterien sind sozusagen—beschreiben, was erforderlich ist, damit ein bestimmtes Kriterium der Barrierefreiheit erfüllt ist. Und diese Beschreibung lässt sich übersetzen in eine Art Prüfvorgang. Jetzt tut die WCAG— versucht, dabei so objektiv wie möglich zu sein. Das heißt, es müssen alles halbwegs gut nachvollziehbare Kriterien sein. Natürlich in der Praxis ist da an bestimmten Stellen durchaus dann Interpretation notwendig und da entsteht natürlich dann auch ein Interpretationsspielraum, über den man diskutieren kann, aber im Wesentlichen sind die Kriterien halbwegs prüfbar. Die WCAG setzt sich, wie gesagt, bis in die BITV fort. Dazwischen steht noch die europäische Norm. Die europäische Norm erfindet noch mal ein paar zusätzliche Erfolgskriterien, auch die BITV bringt dann noch mal ein paar Kleinigkeiten mit. Aber so entsteht dann eine Art Kriterienkatalog, der eben abgedeckt sein muss und dieser Kriterienkatalog lässt sich eben halbwegs objektiv durchprüfen. Und dann gibt es wiederum Stellen, die sich diese BITV als Mindestmaß quasi hergenommen hat, das Ganze übersetzt hat in Prüfverfahren. Wir haben in Deutschland mehrere solche Prüfverfahren. Wenn du mich danach fragst, kann ich vielleicht ein bisschen was dazu erzählen, aber ich will jetzt gar nicht mal zwingend Werbung dafür machen. Ich selber bin Prüfer der eines dieser Verfahren nutzt und anwendet Das ist öffentlich dokumentiert, insofern gar kein Geheimnis. Und anhand von diesen Prüfverfahren kann man dann hergehen und kann eine Website beispielsweise oder auch eine App Schritt für Schritt nach diesen Erfolgskriterien abklopfen und eben feststellen, entspricht es diesen Mindestkriterien oder oder knarzt es irgendwo. Das Ergebnis ist dann eben ein Prüfbericht. Das ist das, was ich vorhin meinte, et was ähnliches erarbeiten auch diese Überwachungsstellen. Und je nachdem, wie dieser Prüfbericht aussieht, kann man den dann hernehmen als eine Art Rezeptur oder Anleitung oder zumindest eine To-Do-Liste, wo man überall Hand anlegen muss.

TORSTEN FRENZEL: Zu den Prüfverfahren komme ich gleich noch mal. Also ich habe im Rahmen meines Jobs vor einigen Jahren mal so einen BITV-Selbsttest gemacht und wir haben dann relativ schnell festgestellt „Ja, wir brauchen hier Profis!“, und wir haben dann eine Firma engagiert, die tatsächlich auch zum Beispiel Tester mit verschiedenen Einschränkungen engagiert hat, die dann auch die Tests tatsächlich auch manuell gemacht haben. Wenn der blinde Tester das getestet hat und er hat nicht bemerkt, was da zu tun ist, dann ist man direkt durchgefallen, weil dann brauche ich keine Prüfverfahren. Aber du hast mich neugierig gemacht, welche Prüfverfahren gibt es denn da, dass man das so schön standardisiert machen kann?

JOSCHI KUPHAL: Also tatsächlich hast du das eine Prüfverfahren gerade schon genannt und das ist auch das, was ich selber auch prüfe und durchführe. Es gibt den BITV-Test, so heißt der, das klingt fürchterlich offiziell, aber tatsächlich ist das ein privatwirtschaftliches Produkt, wenn man das so möchte. Das wurde vor 20 Jahren ungefähr — weit vor meiner Zeit — mit öffentlichen Geldern mal entwickelt, wurde jetzt dann über die Jahre von einem Unternehmen in Hamburg, der DIAS, weiterentwickelt, gepflegt, ist aber aufgrund seiner Herkunft auch einfach öffentlich dokumentiert. Das heißt, die Prüfschritte und dieses ganze Verfahren kann man sich anschauen, kann man auch nutzen. Es ist von der Lizenz her so, dass es eben zulässig ist, das für seine eigene Website, seine eigenen Produkte herzunehmen und anzuwenden. Das ist genau das, was du gerade mit dieser Selbstbewertung geschrieben hast. Das heißt, das ist völlig in Ordnung, dass du das so einsetzt. Dafür ist es da. Und es gibt eben auch Prüfer und Prüferinnen, so wie mich beispielsweise, die trainiert sind in dieser Art von Test und eine gewisse Routine auch haben. Und wir können eben auch anhand des selben Prüfverfahrens, aber mit etwas mehr Expertise vermutlich eben solche professionelleren Tests mehr oder weniger durchführen. Der BITV-Test ist eben eines dieser Produkte — eines, das sehr lange existiert und auch mit einer relativ hohen Qualität solche Prüfungen vornimmt. Es gibt dann noch den BITi-Test, so wie er heißt meines Wissens nach, BIT inklusiv. Und dann gibt es noch mehrere privatwirtschaftliche Organisationen, die ihre eigenen Prüfverfahren haben. Da gehört beispielsweise die Telekom dazu und andere Unternehmen. Ich sage jetzt mal so, für die Öffentlichkeit, also für dich beispielsweise, hast du hier in Deutschland mindestens die zwei erstgenannten Prüfverfahren, an die du dich halten kannst. Du kannst natürlich auch sagen, wenn du das Ganze eher international sehen willst, könntest du dir direkt die europäische Norm auch als Vorlage hernehmen. Aber da gibt es meines Wissens nach jetzt kein Prüfverfahren, das ausdrücklich nur darauf abgestellt ist. Also in Deutschland, wie gesagt, der BIK BITV-Test und der BIT-inklusiv-Test sind beides Prüfverfahren, die genutzt werden können.

TORSTEN FRENZEL: Okay, wir haben jetzt ja vorhin schon mal ganz kurz über Bilder und Grafiken gesprochen. Was sind deiner Erfahrung nach die größten Hindernisse, die heutzutage noch auf Anwendungen und Webseiten oder in Anwendungen in Webseiten eingebaut werden, beziehungsweise nicht berücksichtigt werden, dass man sie gar nicht erst einbaut?

JOSCHI KUPHAL: Naja, wenn du mich jetzt so fragst, dann erwartest du natürlich—diese Frage höre ich nicht selten. Das ist auch, wenn eine Prüfung stattgefunden hat von einer Website, dann kommt da ein Prüfbericht raus und meistens ist das Ergebnis dann ernüchternd. Es werden dann da viele Barrieren festgestellt und Kundinnen und Kunden kommen dann relativ schnell zu dem Punkt, dass sie fragen, was ist denn jetzt davon das Wichtigste? So in der Art. Persönlich habe ich ein bisschen Schwierigkeiten damit, da Prioritäten drin zu sehen, weil es ist nun mal alles eine Barriere. Es ist immer so, dass jemand ausgeschlossen wird.

TORSTEN FRENZEL: Ich will nicht auf das Wichtigste raus. Ich will einfach auf die größten Hindernisse raus. Also ist es immer noch der Alt-Text, dass die Bilder nicht beschrieben werden oder haben die Leute inzwischen dazugelernt?

JOSCHI KUPHAL: Ich wollte jetzt gerade so ein bisschen in die Richtung kommen. Also ich will nur sagen, alles sind wichtige Barrieren und es ist immer jemand ausgeschlossen. Was du wahrscheinlich hören willst, ist, welche Barrieren treten denn besonders häufig auf? Zum einen habe ich da natürlich irgendwie sozusagen einen persönlichen Erfahrungswert bei den Dingen, die ich treffe. Es gibt aber auch noch eine recht interessante Statistik dazu. Es gibt eine amerikanische Organisation, die sich WebAIM nennt. Die kommt aus dem sehbehinderten Bereich raus und WebAIM führt regelmäßig, sage ich jetzt mal, Massentests durch. Da wollte ich vorhin eigentlich auch schon was dazu sagen, auch um da mit einem, ja, sagen wir mal, mit einer Hoffnung aufzuräumen, die ich auch relativ oft höre, nämlich: Das Prüfen von Barrierefreiheit oder überhaupt Barrierefreiheit herzustellen, ist ein hochgradig manueller Prozess. Man sagt unter Expertinnen und Experten, dass vielleicht 30-40 Prozent aller Barrieren, die man finden kann, typischerweise, automatisiert gefunden werden können und dass man die mit irgendwelchen Tools oder Diagnosemechanismen finden kann. Die Mehrzahl aller Probleme — man spricht von etwa 40, 50, 60 Prozent, je nachdem welches Marketingversprechen man nehmen möchte —, die Mehrzahl der Probleme jedenfalls muss man durch manuelle Tests ermitteln. Das mal nur so vorweg, das war jetzt quasi die Antwort noch auf die Frage, wie man prüft. Zurück zu WebAIM. WebAIM ist eben eine Organisation, die einmal im Jahr oder regelmäßig jedenfalls automatisierte Test macht. Und es gibt den sogenannten 1 Million Report. Der ist sozusagen ein automatischer Durchlauf, wo WebAIM die Startzeiten der eine Million populärsten Websites automatisch scannt. WebAIM hat eines der recht populären Prüftools, nenne ich jetzt mal, also die mit der Einschränkung, dass man damit nur bestimmte Barrieren finden kann, eben recht populär ist und das offen benutzt werden kann. Und sie nutzen dieses Tool, um wie gesagt die Startzeiten der eine Million populärsten Websites zu scannen. Den Report kann man öffentlich einsehen auf der WebAIM-Website und dort wird man finden, dass die meisten Probleme—also erst mal findet man, dass eine hohe 90er Prozentzahl, ich sage jetzt mal 97 Prozent, oder 96, weiß ich genau nicht, aber eine hohe Prozentzahl an Websites tatsächlich auf der Startseite schon gravierende Barrieren aufweist. Also der Zustand des Internets, was die Barrierfreiheit angeht, ist tatsächlich weitgehend fatal. Und wenn man sich anschaut, welche Fehler das sind, die dann in erster Linie gefunden werden, dann sind es so Dinge wie: Es gibt Kontrastprobleme — das ist so ein typisches Ding, das heißt irgendwo sind Farben verwendet, die zu schwach zueinander kontrastieren, sodass Menschen, die sehbehindert sind oder schlechteres Sehvermögen haben, vielleicht einfach Texte nicht lesen können, Bedienfelder nicht sehen können und so weiter. Leere Links sind auch so ein Problem und das sind so die Klassiker, die Alternativtexte, die du schon besprochen hast, die fehlen, das heißt dass visuelle Informationen nicht wahrgenommen werden können. Das sind so die Klassiker, die in diesen Studien als die häufigsten Probleme auftauchen. Ich kann sehr empfehlen, sich mal einen Blick da in diesen aktuellen Report reinzuwerfen. Jetzt aus meiner persönlichen Praxis raus, sind das sicherlich auch alles schwierige Barrieren, aber ich glaube es gibt noch andere, die vielleicht jetzt auch gar nicht so gut automatisiert zu testen sind. Dann tauchen die in solchen Reports natürlich eher nicht auf. Sowas wie Tastaturbedienbarkeit ist ein großes Problem, also mit anderen Worten, dass sich eine Website nicht ohne ein Zeigegerät wie eine Maus bedienen kann und das ist deswegen so gravierend, weil man wissen muss, dass sehr viele assistive Technologien — also Hilfsmittel, die mir beim Bedienen von Websites helfen, wenn ich eine Einschränkung oder Behinderung beispielsweise habe, dann nutzen—die assistiven Technologien simulieren Tastaturen. Deswegen ist es entscheidend, dass eine Website oder eine Oberfläche, eine Software mit der Tastatur bedient werden kann, weil sonst scheitern assistive Technologien daran und können letztlich auch nicht helfen. Also solche Themen sind mindestens genauso präsent, aber leider nicht so besonders gut automatisierbar testbar.

TORSTEN FRENZEL: Okay, wenn du dir was wünschen könntest, wäre das doch wahrscheinlich in die Richtung, dass man sich erst Gedanken macht über die Barrierefreiheit und dann die Webseite baut, oder gibt es inzwischen Tools, wie ich Webseiten so bauen kann, dass ich mir gar nicht groß Gedanken drum machen muss?

JOSCHI KUPHAL: Also das letzte können wir gleich mal streichen. Es gibt diese Tools hundertprozentig nicht. Wir können dann später über ein großes Problem sprechen, dass wir inzwischen auch in Deutschland sehr präsent haben, aber das wir historisch auch schon lange in den USA beispielsweise haben oder in anderen Bereichen auf der Welt, nämlich dass Softwarehersteller sogenannte Accessibility Overlays anbieten und sozusagen das Markt versprechen haben, dass man, indem man eine Software auf der Webseite einbindet, alle Sorgen los ist oder zumindest deutlich besser dasteht als vorher, was die Barrierefreiheit angeht. Das ist hoch problematisch und es gibt ganz viele Stimmen von Expertinnen, Experten und auch von öffentlicher Seite inzwischen dazu, dass das wirklich so nicht funktionieren kann. Wenn←du hast mich gefragt, was ich mir wünschen würde. Es sind jetzt zwei Dinge, die mir da spontan einfallen. Ich gebe mal auf das eine ein, was du mir fast schon in den Mund gelegt hast, nämlich: Ja, Barrierefreiheit muss ganz früh im Projekt natürlich mit anfangen und mit eingebaut und bedacht werden. In der Praxis sehen wir, dass in ganz, ganz vielen Projekten Barrierefreiheit überhaupt nicht stattfindet. Gibt es auch eine spannende Statistik von WebAIM dazu, also der gleiche Laden, den ich vorhin schon erwähnt habe, die mal vor ein paar Jahren untersucht haben, warum kommt Barrierefreiheit eigentlich nicht zustande, was man denn so meint. Und die größten Probleme, die da genannt wurden, ist, dass erst mal überhaupt kein Bewusstsein dafür da ist, dass Barrierefreiheit überhaupt ein Thema ist. Also Menschen wissen nicht, dass Websites barrierebehaftet sein können und das zweite schlimmste Problem ist, sie wissen es vielleicht, aber wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Also mangelndes Wissen, mangelnde Fertigkeiten. Das sind wahrscheinlich die größten Blocker. Das heißt, als Wichtigstes müssen wir erkennen, dass Barrierefreiheit einfach ein Thema ist und wir müssen es früh und von Anfang an und als eine Art selbstverständliches Qualitätskriterium in digitale Produkte mit einbauen. Im Moment ist es nämlich eher so, dass Barrierefreiheit, wenn dann überhaupt erst ganz am Ende stattfindet, dass es als so eine Art Gutwill-Aktion gesehen wird. Wenn man noch Zeit und Budget hat … „Ach, dann tut man nochmal jemandem was Gutes“ … Dann wird Barrierefreiheit vielleicht gemacht und wenn das Budget nicht reicht, fällt es am Ende vom Tisch runter. Das darf natürlich nicht passieren. Das ist im Übrigen auch deswegen fatal, weil natürlich, wenn Barrierefreiheit erst am Ende stattfindet und so dran gebolzt wird an so ein Projekt, dann ist eigentlich schon vorprogrammiert, dass es unfassbar schwierig wird, nachträglich Barrierefreiheit noch herzustellen. Das geht dann typischerweise in so einem Entwicklungs-, Software- Entwicklungsprozess bis an den Anfang zurück. Es muss dann alles nochmal aufgebuddelt werden und von vorne nochmal durchrepariert und getestet und weiß ich nicht, was werden. Es ist auf jeden Fall sehr, sehr, sehr viel effektiver und auch effektiv günstiger, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. Das gilt im Übrigen für viele andere Disziplinen in der Softwareentwicklung natürlich auch und genauso auch in der Barrierefreiheit. Es gibt noch eine andere Sache, die ich mir fast noch dringender wünschen würde, oder die mindestens genauso wichtig ist. Wir haben jetzt gerade noch in viel zu wenigen Ausbildungen oder Studiengängen oder Karrierepfaden Barrierefreiheit als einen Baustein mit drin. Mit anderen Worten, wenn ich heute eine Laufbahn anstrebe, um Websites oder Software zu entwickeln, dann bekomme ich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf meiner ganzen Bildungsreise kein einziges Mal das Thema Barrierefreiheit serviert. Und das ist natürlich fatal. Das müsste eigentlich viel früher passieren. Das müsste mehr zum Allgemeinwissen werden und dieses Einzug-Halten, dieses Einbauen von Wissen zu dem ganzen Thema gehört eigentlich in jede Ausbildung, ganz egal ob an der Hochschule oder in der Lehre oder was auch immer. Dann wäre nämlich diese Fertigkeit oder dieses Bewusstsein grundsätzlich viel präsenter. Und ich bin der festen Überzeugung, dass dann der Zustand von Websites auch grundsätzlich schon mal besser wäre, wenn da einfach mehr Bewusstsein da wäre. Im Übrigen gilt es auch für alle Disziplinen, nicht nur Entwickler, sondern genauso auch Designer, genauso auch Redaktionen, die Inhalte für eine Website schreiben. Also es sind viele Gewerke, die da beteiligt sind und denen gehört Barrierefreiheit eigentlich immer mitvermittelt in so einer Ausbildung. Das wäre das, was ich mir am allermeisten wünsche, wenn du mich so fragst.

TORSTEN FRENZEL: Ich habe mir gerade so nebenher so ein bisschen diesen 1 Million Report angeguckt und was ich super interessant finde, da stehen Sachen drin, die jeder Drucker, jeder Schriftsetzer sofort beachtet, wenn er irgendwelche Schriftstücke setzt. Den Textkontrast zum Beispiel, oder Bilder mit Bildunterschriften, oder die Labels von Formularfeldern. Das sind alles Sachen, die sind Einmaleins für Schriftsetzer oder für Drucker. Und irgendwie hat es das aber nicht geschafft ins Internet.

JOSCHI KUPHAL: Kann man so sehen. Ich meine, das ist ja trotzdem schon eine andere Technik. Aber ja, du hast da völlig recht. Da sind Sachen dabei, von denen sollte man annehmen, dass sie einfach Allgemeinwissen und allgemeine Praxis sind. Aber solche teilweise trivialen Dinge passieren eben tatsächlich im Internet nicht.

TORSTEN FRENZEL: Lesbarkeit von Schriftarten, Überschriften H1, H2, H3 und so weiter. Das ist—das lernen Schriftsetzer im ersten Lehrjahr, glaube ich. Jetzt sind wir da ziemlich drauf eingegangen. Haben wir noch was vergessen, was unbedingt noch erwähnt werden muss?

JOSCHI KUPHAL: Na ja, wir haben—Also ich glaube, wir haben zumindest mal einen kleinen Ausflug da rein gemacht, was es eigentlich bedeutet, Barrierefreiheit anzustreben, darüber Bescheid zu wissen, das auch umzusetzen, wie man es prüfen kann. Wir haben darüber gesprochen, dass es trotz allem immer ein manueller Vorgang ist. Das gilt auch in unserer heutigen Zeit, wo wir technologisch immer weitere Fortschritte machen. Also wir haben über das Thema Websites und Barrierefreiheit schon einiges durchgenommen, ja.

TORSTEN FRENZEL: Ok, dann würde ich sagen vielen Dank, dass du da warst. Vielen Dank, dass du mich und meine Zuhörerinnen und Zuhörer in das Thema Barrierefreiheit eingeführt hast. Und vielleicht machen wir noch eine tiefergehende Folge, wenn Interesse besteht und euch, liebe Hörerinnen und Hörer, vielen Dank fürs Zuhören. Joschi, vielen Dank. Bis demnächst. Auf Wiederhören.

JOSCHI KUPHAL: Sehr gerne, sehr gerne.